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Wien

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Wien

 

Wien – (K)eine Stadt wie jede andere?

Text by S.T.

 

Auch wenn Wien sich in den letzten Jahrzehnten nicht sonderlich von anderen Großstädten wie Berlin oder London unterschieden hat, war es vor etwas mehr als einem Jahrhundert (1890 – 1910) eine Metropole wie keine andere, in der Kunst, Literatur, Architektur und Musik ihren Höhepunkt fanden. Denkt man an das Wien der Habsburgermonarchie , denkt man fast zwangsläufig an das Wien, in dem Sigmund Freud in der Berggasse die Psychoanalyse entwickelte; an das Wien, in dem Künstler und Literaten wie Arthur Schnitzler, Stefan Zweig oder Hugo von Hofmannsthal – um nur Einige zu nennen – einen Großteil ihres Lebens zubrachten. Keine Stadt konnte es mit Wien aufnehmen.

 Doch was waren die historischen, politischen und sozialen Voraussetzungen für solche kulturellen Höchstleistungen?

1866 den letzten Krieg beendend, herrschte seit geraumer Zeit Frieden in der von Franz Joseph I regierten Donaumonarchie. Kennzeichnend für diese Ära, die noch bis zum ersten Weltkrieg andauern sollte, ist das unerschütterliche Gefühl von Sicherheit, das tief in den Menschen verankert war. Es war die Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs, dessen zeugen die zahlreichen großbürgerlichen Häuser wie auch die im Zuge der Stadterweiterung errichtete Wiener Ringstraße mit ihren Prachtbauten. Diese im Stil des Historismus angelegte Straße gilt als das größte städtebauliche Projekt des 19. Jahrhunderts in Europa. 1857 vom Kaiser angeordnet, war sie zu Beginn als militärische Aufmarschstraße gedacht und entwickelte sich schließlich zu dem uns heute bekannten Prachtboulevard mit Palästen der Regierung, der Verwaltung, der Bildung und der Kunst. Historismus bedeutet, dass an bewährten Traditionen festgehalten wird, dass Motive und Stile wiederaufgegriffen und gemischt werden, also ein Stilpluralismus vorherrscht  und dennoch wird dabei etwas völlig Neues geschaffen. So diente beispielsweise Rom, die Welthauptstadt der Antike, als Vorbild für den Heldenplatz und die in unmittelbarer Nähe befindlichen Museen. Der Stil des Rathauses ist neugotisch, der des Parlaments neoklassisch, viele andere Paläste wurden im Neo-Renaissance-Stil errichtet.

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Im 19. Jahrhundert wurde die Residenzstadt vor allem durch Migration zu einer Metropole. Sie war die am schnellsten wachsende europäische Stadt, durch die zweite Stadterweiterung stieg die Einwohnerzahl Wiens auf 2 Millionen, womit sie zur sechstgrößten Stadt Europas wurde und die Habsburgermonarchie zum drittgrößten europäischen Staat mit einer Bevölkerung von rund 50 Millionen.  Österreich war seit 1804 ein eigener Vielvölkerstaat, in dem viele Sprachen gesprochen wurden. Man nimmt an, dass im Jahr 1900 weniger als die Hälfte der Bevölkerung Wiens ebendort geboren wurde. Ein Viertel stammte aus Böhmen und Mähren.  Ab 1880 war es sogar so, dass jeder dritte Wiener aus Tschechien stammte, jeder zehnte war jüdisch. Lange Zeit hatten es die Juden schwer in Wien Fuß zu fassen, seit der Herrschaft Joseph II schafften es einzelne in die Wiener Gesellschaft aufzusteigen. Auch die Rechte der slawischen Völker blieben beschränkt. Die herrschende Multikulturalität erzeugte in den Wienern innere Konflikte, die zugleich fruchtbar sein, aber ebenso hemmend wirken konnten. Oft fehlte es an Mut zu handeln, Entscheidungen zu treffen und so blieb dem Wiener schließlich nur das, was er am besten konnte – und auch heute noch gerne tut – das Nörgeln. Erweitert durch das Grantln und das Sudern wie auch den Wiener Schmäh erhält man ein abgerundetes Bild des Wieners, wie er leibt und lebt. Besonders Literaten wie Nestroy, Grillparzer oder Hofmannsthal kannten das Problem des Gehemmtseins.

In  der neuen literarischen Richtung, die ihre Entfaltung am Ende des 19. Jahrhunderts in Wien begann, war das impressionistische Lebensgefühl, die Stimmung der Flüchtigkeit der Erscheinungen, das Nebeneinander von Schein und Sein wie auch die Allgegenwart des Todes dominant. Als Folge der Industrialisierung und der gesellschaftlichen Veränderungen erfreute sich das Thema der „Nervenüberreizung“ äußerster Beliebtheit. Es ist also kein Wunder, dass Sigmund Freud gerade zu dieser Zeit seine Lehre über die Krankheiten der Seele entwickelte. Arthur Schnitzler nutzte Freuds Werke Die Traumdeutung oder die Methode der freien Assoziation als Anregung für seine Novellen. Ein wichtiger Literat dieser Zeit war  Hugo von Hofmannsthal, der Verfasser des Jedermann oder des Rosenkavaliers. Seit seiner Zeit im Gymnasium unter dem Pseudonym Loris publizierend, wurde Hofmannsthal von Zeitgenossen wie Stefan Zweig für seine tiefgründige Lyrik sehr geschätzt. Große Bewunderung brachte man auch der Musik Gustav Mahlers entgegen, der bekannt für seine Sinfonien als besonders herausragender Komponist und Dirigent der Jahrhundertwende galt. Ihn zeichnete eine tiefe Liebe zur Musik aus. Verheiratet war Mahler mit Alma Schindler, aufgrund von Ehekrisen suchte er  gegen Ende seines Lebens bei Freud Rat. Nach Mahler war Arnold Schönberg der wohl bedeutendste Musiker und auch Begründer der Zweiten Wiener Schule. Schönberg galt ähnlich Adolf Loos als Außenseiter, er entwickelte eine völlig neue Art der Musik, welche ihm beim Wiener Publikum nur negative Kritiken einbrachte.

Was die Architektur der Wiener Moderne betrifft, so gilt Otto Wagner als Schlüsselfigur des Wiener Jugendstils. Bauten Wagners befinden sich verteilt  in ganz Wien, so beispielsweise die Kirche „Am Steinhof“, das Ankerhaus am Graben, die Villa Wagner I im 14. Wiener Gemeindebezirk, die Postsparkasse und  Wienzeilenhäuser wie das Majolikahaus. Auch in der Kunst dominierte der Jugendstil. Künstler wie Gustav Klimt, Egon Schiele oder Oskar Kokoschka sind zentrale Figuren. Ersterer vor allem bekannt durch seine Frauenportraits , bezweckte das Schöne hervorzuheben, während Schiele und Kokoschka mit ihren Werken verstören wollten. Die Meisterwerke der Wiener Moderne sind im Leopoldmuseum im Museumsquartier ausgestellt.


Verwendete Literatur:

Barbara Dmytrasz: Die Ringstraße

Christian Brandstätter (Hg.): Wien 1900. Kunst und Kultur

Hilde Spiel: Glanz und Untergang

BPD Austria (Dr. Isabella Ackerl): Wiener Moderne 1890-1910

 


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